Eine Bonbongalaxie mit Bauch-Schärpe
Alle Objekte im Bild sind für mich als Astrofotografen reizvoll aber nicht leicht in Szene zu setzen. Zunächst fällt die große S-Form von NGC 3718, sowie die etwas gestörte Form von NGC 3728 auf. Nachdem beide Galaxien sehr ähnliche Rotverschiebungen in ihren Spektren haben, ist davon auszugehen, dass sich beide in einer ähnlichen Entfernung von etwa 50 Millionen Lichtjahren von uns befinden. Die Distanz zwischen ihnen läge dann bei dem Durchmesser von NGC 3718 von etwa 150.000 Lichtjahren. Das ist für galaktische Verhältnisse nicht weit!
Aber nicht nur die "Bonbon"-Form fällt bei NGC 3718 ins Auge, oder die eigene, verdrehte Form von NGC 3725 ist auffallend: die "Bauchschärpe" der großen Galaxie könnte auch von einer früheren Verschmelzung zweier mittlerer Vorgängergalaxien von NGC 3718 erzählen. Denn es sieht so aus, als wenn das sichtbare Staubband etwa senkrecht zur Haupt-Sternenebene liegt. Das geht aber nur, wenn es eine zweite Galaxie dazu eingebracht hat. Alleine auf die Störung durch NGC 3725 ist dieses Phänomen nicht zurück zu führen. Damit hätten wir also "drei" Galaxien in der gleichen Entfernung!
Die Galaxiengruppe unterhalb NGC 3718 ist Hickson 56 (Arp 322) und liegt fast zehnmal weiter entfernt von uns: mit etwa 400 Millionen Lichtjahren wird ihre Distanz angegeben. Die hellsten Mitglieder dieser Gruppe sind und besten Bedingungen meinem Teleskop visuell zugänglich. Fotografisch lässt sich der Tanz dieser weit entfernten Galaxien ohne weiteres einfangen.
Damit wären wir auch bei den visuellen Möglichkeiten der Beobachtung: NGC 3718 und ihre Begleiterin liegen im Sternbild des Großen Bären und wandern damit derzeit durch den Zenit, was die Sichtbarkeit wesentlich verbessert. Die Hauptgalaxie ist heller und leicht länglich. Die südliche Hickson-Gruppe blitzt vielleicht nur mit ihren hellsten Vertretern auf.
Am Rande seien noch abschließend einige Galaxienhaufen erwähnt, die im Bild als gelbliche Fizzelchen enthalten sind. Links oberhalb von NGC 3729 ist WHL J113427.4+531336 mit einer Rotverschiebung z≈0,23 (Lichtlaufzeit 2,9 Mrd Jahre), leicht rechts nacheinander nach oben sind zwei Galaxienhaufen von z≈0,12 (Lichtlaufzeit 1,5 Mrd Jahre) und z≈0,3 (Lichtlaufzeit 3,8 Mrd Jahre). Rechts von NGC 3718 ist noch WHL J1133130.8+530301 mit einer z≈0,42 (Lichtlaufzeit nahezu 5 Mrd Jahre) zu finden. Zwischen unseren Hauptgalaxien sind noch viele andere zu finden wie zum Beispiel das Galaxienpaar KPG 290. Das Licht von ihnen brauchte zu uns Milliarden von Jahren.
Buchstäblich blicken wir auf diesem Bild vordergründig auf NGC 3718 mit ihrer Begleiterin NGC 3729. Im Hintergrund geht es bis an den Rand des sichtbaren Kosmos: vier Quasare mit einer Rotverschiebung von höher z≈4 befinden sich im Bild. Ihre Lichtlaufzeiten liegen bei nahe von 13 Milliarden Jahren! "Dahinter" gibt es zumindest für mein Teleskop und meine Kamera nicht mehr viel zu sehen. Denn das noch sichtbare Lichtsignal der Objekte vom Anfang des Universums, die sogenannte H-Lymanlinie bei 124 Nanometer des Wasserstoffs, ist dann vom Ultraviolletten ins tief rote verschoben und liegt bei 665 Nanometer. Die von mir eingesetzten Filter schließen das beobachtbare Fenster bei 690 Nanometer. Für höhere Rotverschiebungen müsste ich also mit gar keinem oder für einen höheren Kontrast im Bild mit einem Infrarot-Filter arbeiten. Allerdings sinkt dann bei etwa 800 Nanometer (z≈6) die Empfindlichkeit meiner Kamera derart ab, dass eine Belichtung kaum mehr lohnt.