Epiphaniefest mit Uranus und Jupiter
Predigt Epiphanie 2015
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium der drei Weisen aus dem Morgenlande ist für mich immer ein besonderer Abschnitt aus der Weihnachtsgeschichte. Weniger weil sie besonders erbaulich ist oder weil es da um einen Stern geht. Es ist viel mehr eine Wesensverwandtschaft mit uns modernen Menschen, die in diesen fremden Wanderern aus dem Osten für mich aufscheint.
Sie sind so etwas wie die Naturwissenschaftler der damaligen Zeit. Sie beobachten die Natur, können sie berechnen und deuten ihre Berechnungen und werden auf diese Weise zur Krippe geführt. Dort fallen sie anbetend nieder: es ist der König der Juden, den sie finden und bekennen. [Eigentümlich ist, dass mit ihnen nichts mehr weiter geschieht im Evangelium: sie werden weder getauft, noch verkünden sie die Botschaft von Jesus, noch begegnen sie uns in irgendeiner Art und Weise. Sie kommen als Heiden, bekennen Jesus und gehen aber wieder als Heiden zurück in ihr Land.]
Dennoch ist ein entscheidender Gegensatz zu unserer heutigen Gesellschaft festzustellen: der Glaube an Gott scheint sich ja nicht gerade zu vertiefen, sondern verdunstet mehr und mehr. Es ist ein anderer Glaube angesagt: der an die Wissenschaft; und die Menschen scheinen damit gar nicht so schlecht zu fahren. Auch wenn existentielle Fragen bleiben: der Mensch der Neuzeit muss sich allerdings in der Natur neu einordnen, denn
- Durch die kopernikanische Wende ist die Erde, der Mensch nicht mehr der Mittelpunkt der Welt –
wo ist sein / unser Platz im Kosmos?
- Nach der darwinschen Lehre stammt der Mensch aus dem Tierreich ab und es ist unklar,
was an uns noch Tier ist, und wie sehr wir schon Menschen sind?
- Durch die psychoanalytische Wende ist die Frage virulent, ob wir wirklich Herren in unserem eigenen Haus sind?
- Und ganz neu wirft die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, die Anwendung von Computern und
Informationsverarbeitung die Frage auf, was es mit der Intelligenz von uns Menschen überhaupt auf
sich hat. Werden wir bald durch Maschinen abgelöst?
Manche meinen, dass diese Fragen in den letzten Jahrzehnten von der Kirche her zu wenig oder gar nicht beantwortet wurden. Da wendet man sich am Feier- oder Sonntagmorgen lieber anderen Beschäftigungen zu. Aber werden die Fragen durch Ignorieren gelöst? Wahrscheinlich nicht. Ich bin überzeugt davon, dass sich ein neues tragendes Fundament für uns Menschen nur in der Verbindung von Naturwissenschaft und Religion ergeben. Ganz so, wie es für die Weisen im Evangelium war, die durch ihre Wissenschaft zur Krippe fanden.
Durch eine gewisse Wesensverwandtschaft der Theologie mit der Psychologie bot sich eine Synthese von beiden an. Bei der Theologie der Kirchen- und noch mehr der Mönchsväter wurden einige meiner Mitbrüder fündig (P. Fidelis, P. Anselm, P. Meinrad u.a.). Dies geschah in einer für mich sehr fruchtbaren Weise, die für viele Menschen anziehend und hilfreich war und ist.
Ähnliche Synthesen brauchen wir, was unseren Platz im Kosmos angeht, der ja Gottes Schöpfung ist. Was heißt es, dass wir nicht mehr die Mitte des Kosmos sind? Und was heißt es für Gott und unsere Gottesbilder, dass wir in einem riesigen Weltall leben, das zumeist leer und noch weniger von Leben erfüllt ist?
Einerseits haben die Wissenschaften haben unseren Glauben an Gott im tiefsten erschüttert. Andererseits haben die naturwissenschaftlichen Theorien zur Entstehung des Kosmos die Möglichkeit einer Schöpfung durch Gott vertieft. In der Entwicklung physikalischen, chemischen und biologischen Natur ist es der Geist Gottes, der die Schöpfung zu immer komplexeren Formen antreibt. Und über das bloß sichtbare hinaus entwickeln sich Geist und Kultur in einer unvorhersehbaren Weise. Immer ist die Summe viel mehr als die Einzelteile. Das ist der tiefere Grund dafür, dass eine reduktionistische Sichtweise der Welt durch die Wissenschaft ins Leere greifen muss und die Wirklichkeit nicht erfassen kann.
Wenn allerdings die Naturwissenschaften offen sind für das Ganze, dann führen sie hin zu Gott.
Und der Glaube führt uns darüber hinaus: Anbetung ist eine andere Ebene unser Menschseins, von der die Naturwissenschaft von ihrer Grundlage und Definition her nichts wissen kann: in welcher Beziehung wir zu Gott stehen. Anbetung, Bekennen, Liebe ist etwas, was zu unserem Menschsein genauso dazu gehört, wie beobachten, berechnen und Schlüsse daraus ziehen. Ja noch mehr: sie sind es, die unser Menschsein ausmachen. Die Weisen aus dem Morgenland sind uns Wegweiser dafür. Sie führen uns heute zu Josef, Maria und Jesus – und damit zu unserer eigenen, vollen Menschwerdung, die Gott uns zugedacht hat.
Amen.