Blick in die Unendlichkeit
Münsterschwarzach (POW)
Mit einem leisen Surren dreht sich das Spiegelteleskop langsam auf seine Position. Benediktinerpater Christoph Gerhard setzt eine Blende ein, schaut noch einmal durchs Okular. Alles muss genau justiert sein. Am Rande des Klostergeländes Münsterschwarzach hat der 48-Jährige sich eine kleine Sternwarte errichtet: eine Sternwarte im Gartenschuppen mit Blick in die Unendlichkeit des Nachthimmels. Ein letzter prüfender Blick auf die beiden Bildschirme, dann muss sich Gerhard beeilen, schließlich beginnt um halb sieben die Vesper. Der klösterliche Tagesablauf lässt dem Cellerar keine Zeit für intensive Forschung. Deshalb hat Gerhard seine Digitalkamera ans Teleskop angeschlossen, die so automatisch Fotos vom Nachthimmel schießt. Am nächsten Tag kann er die Bilder am Computer anschauen und sortieren.
Mit zwölf Jahren nahm ihn sein Onkel das erste Mal mit, die Sterne zu beobachten. Mit 15 Jahren kaufte er sich sein erstes Spiegelteleskop. „Der Forscherdrang war da immer in mir“, erzählt Gerhard. An der Fachhochschule Schweinfurt studierte er Elektrotechnik. Denn er war sich sicher, dass er mit Elektrotechnik später alles machen kann – auch ins Kloster gehen. Während des Studiums besuchte er die Benediktinerabtei Münsterschwarzach und merkte: Hier gehöre ich hin. 1987 trat er ins Kloster ein und studierte Theologie. Seine Leidenschaft für die Astronomie gab er dabei nie auf. Das Spiegelteleskop ist ein Geschenk des bereits verstorbenen Mechatronik-Professors Ernst Schöberl, den Gerhard an der Fachhochschule kennenlernte. Schöberl baute das Teleskop selbst.
Besonders spannend findet Pater Christoph Planeten und sogenannte Deep-Sky-Objekte. Hierzu zählen Sternenhaufen, Nebel und ferne Galaxien. „Je schwächer ihr Licht, desto besser. Mich interessieren die Grenzen, die Suche nach Unendlichkeit“, sagt er. Allein die unvorstellbare Größe des Universums fasziniere ihn. Etwa 2,7 Millionen Lichtjahre weit kann das menschliche Auge sehen, wenn es in den Sternenhimmel blickt, sagt der Benediktinermönch. Ein Lichtjahr sind knapp 9,5 Billionen Kilometer. Das ist mehr als 863 Millionen Mal die Strecke zwischen Münsterschwarzach und dem Würzburger Partnerbistum Mbinga in Tansania.
Wenn er in den Himmel blickt, staunt er über die Natur und deren Schöpfer. Es sind die großen Fragen, die den Theologen Gerhard beschäftigen. „Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Wenn ich bete, zu wem bete ich da?“, zählt er auf. Manche seiner Mitbrüder in Münsterschwarzach fänden sein Hobby faszinierend. Für die meisten sei es aber zu exotisch. Besonders wenn er bei minus acht Grad draußen am Teleskop stehe und in den dunklen Himmel blicke, erzählt Gerhard. In den letzten Wochen des Jahres 2013 seien fünf Kometen am Himmel mit dem bloßen Auge zu sehen. Besser natürlich mit dem Teleskop. Gerhard beobachtet oft den Kometen Lovejoy, der mit einem langen Gasschweif über das Firmament saust.
Schon vor mehr als 2000 Jahren beschäftigten sich die Menschen mit den Kometen und Sternbildern am Nachthimmel. Juden sei dieser Sternenglaube damals fremd gewesen, sagt Gerhard. Das Matthäusevangelium erzählt von drei Weisen aus dem Orient, die einem Stern folgen und das Jesuskind in der Krippe finden. „Wie ein kosmischer Scheinwerfer auf Jesus“, beschreibt Gerhard die Wirkung des Sterns über Betlehem. Manche Forscher vermuten eine Konstellation von Saturn und Jupiter am Nachthimmel. Beide kamen sich um das Jahr 6 vor Christus sehr nah. Die Erzählung im Evangelium eigne sich jedoch nicht für eine wissenschaftliche Analyse. Für ein fachliches Urteil, was damals wirklich am Himmel geschah, fehlen Gerhard die Fakten. Der 48-Jährige hebt die Hände und sagt: „Ich weiß es nicht, wir haben kein Foto.“
Hinweis: In einem neuen Kalender für das Jahr 2014 fasst der Hobbyastronom die schönsten Aufnahmen von Nebeln, Kometen oder markanten Mondkratern zusammen. Der Klosterladen Münsterschwarzach verkauft den Astronomiekalender, Telefon 09324/20213, Internet www.klosterladen-muensterschwarzach.de, E-Mail